Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und Jesus Christus, unserm Herrn

Liebe Gemeinde,
vor und während des Ökumenischen Kirchentages in der vorletzten Woche in Frankfurt stand vor der St. Katharinenkirche, direkt in der Innenstadt Frankfurts, ein riesiger blau angestrichener Tisch. Dieser Tisch bestand aus mehreren einzelnen Tischteilen, alle mindestens 2 m hoch. Und um den Tisch herum standen 13 Stühle, alle zwar unterschiedlich groß, aber auch sehr hoch; alles für eine alltägliche Nutzung für Menschen normaler Lebensgröße absolut überdimensioniert.


Ein Tisch heißt diese Kunstinstallation. Ein Tisch. Nämlich der, an dem wir eines Tages gemeinsam im Reich Gottes sitzen werden, wie Jesus Christus es uns versprochen hat. Ich werde von nun an nicht mehr an von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. Ein Tisch. Nämlich der, der der Gemeinschaft entspricht, in die Er uns führen will. Ich bitte … für die, die .. an mich glauben werden, dass sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich dir, so sollen auch sie in uns sein, dass die Welt glaube, dass du mich gesandt hast, so betet Jesus Christus. Ein Tisch. Als Zeichen der Gemeinschaft, in die der Heilige Geist uns führt, in der die Kraft des Geistes uns zusammenbindet. Es sind viele Gaben, aber es ist ein Geist. Und: Wir sind durch einen Geist in einen Leib getauft. Auch das sagt der Apostel Paulus und betont es immer wieder. Nicht als Bild gegen Vielfalt und Unterschiedlichkeit, sondern gegen Abgrenzung, Wichigtuerei, Hochmut und Trennung. Die gab es schon von Anfang an, so sieht es aus. Und getrennt erleben wir uns in vielem bis heute. Zwischen den Konfessionen, auch innerhalb der Konfessionen. Und innerhalb der Gesellschaft. „Wir sitzen alle an verschiedenen Tischen, und diese Tische sind auch noch verschieden groß“, so ist diese Installation auch gedeutet worden. Dass der Tisch vor der Frankfurter Katharinenkirche aus mehreren einzelnen Tischen besteht, ist ein sprechender Ausdruck dieser Situation.


Der Theologe Fulbert Steffensky hat einmal gesagt, dass die eigentliche Wirklichkeit, die dem einen Gott entsprechende, immer die Einheit sei. Die Trennungen, die Abgrenzungen, die Betonung der Unterschiede, in den Gemeinden, in den Kirchen, zwischen den Konfessionen, all das, seien die Illusionen, die wir Menschen uns machten. Dass diese Wirklichkeit weit größer ist wir Menschen, auch das ließe sich an dem übergroßen Tisch und den Stühlen „ablesen“. Aber wir können anfangen auf die Stühle zu klettern, auch wenn sie hoch sind. Und immer wieder versuchen, Wege zu Einheit zu gehen, zur Gemeinschaft, zur Überwindung von Trennung und Abgrenzung, zu einer Erfahrung dieser Wirklichkeit Gottes: In der Seiner Einheit die Einheit derer, die an ihn glauben, entspricht. Es sind verschiedene Kräfte, aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.

Dass uns die Stühle so hoch erscheinen, dass wir sie kaum erklimmen können, das liegt, denke ich, an einem fundamentalen Mißverständnis von Einheit. Solange wir denken, Einheit könne es nur geben, wenn wir alle zu allem die gleichen Glaubensaussagen haben, auf die gleiche Weise unseren Glauben leben, wird es vermutlich keine Einheit geben. Erst wenn wir verstehen, dass das eine menschengemachte Voraussetzung aus, dass von Gott aus nur eine einzige Voraussetzung besteht, um uns zusammenzubinden, dann werden wir auf die Stühle klettern können und die Tische zu einem zusammenschieben: Wenn der Geist uns als Band der Liebe, so sagt es Augustin, zusammenbindet, wenn wir einander in Liebe, in Achtung für die Unterschiedlichkeit und Vielfalt begegnen, einander nicht mehr Recht und Richtigkeit des jeweiligen Glaubens absprechen, das Wirken des Geistes in dem, den anderen erkennen und anerkennen wie in uns selbst, dann wird darin Einheit sein. Und wenn wir alle eingestehen, dass keine menschliche Gestalt von Glauben und Gemeinschaft je das Wirken des Geistes ganz und seiner Fülle repräsentieren kann; dass wir erst, wenn wir die Tische zusammenschieben, ahnen werden, wohin der Geist uns alle führen will. Und auch erst dann, wenn wir die Tische zusammenschieben, wird man uns wirklich glauben, dass es ein und derselbe Geist ist, ein und derselbe Herr, und ein und derselbe Gott, der da wirkt alles in allen. Amen