Wir reden über das Leid der Menschen, die in der Fleischindustrie arbeiten. Über Werksarbeiterverträge, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Unterkünfte, über die soziale Isolation der Bulgaren, Rumänen, Polen, über ihre Ausbeutung. Das ist richtig und wichtig, daß all das zum politischen und öffentlich verhandelten Thema wird, nachdem niemand, kein Politiker, aber auch keine Verbraucherin mehr so tun kann, als ob er oder sie nichts davon wüsste. Die Corona-Pandemie und die massenhaften Ansteckungen in den Schlachthöfen haben vor aller Augen gestellt, was vorher durchaus auch bekannt war, aber gerne verdrängt wurde. Das geht nun nicht mehr.

Aber es geht auch nicht mehr, daß wir nicht über das Leid der Tiere reden, über Massentierhaltung, Tiertransporte, Schlachthöfe. Über die geradezu unglaubliche Menge an lebenden, fühlenden Wesen, die zu keinem anderen Zweck als zu unserer Nahrung und unserem Genuß gequält und getötet werden. 16,7 Millionen Schweine im vergangenen Jahr in Deutschland, um nur eine der monströsen Zahlen zu nennen. Über das, was wir meinen zum Leben zu brauchen, müssen wir auch reden. In den letzten Tagen haben mir viele Menschen erzählt, daß es in ihrer Kindheit und Jugend höchstens einmal in der Woche Fleisch gab, meistens Sonntags. Und das reichte. Fleisch war teuer. Gut so. Was spricht dagegen, daß es das wieder wird, weil es, wenn überhaupt, nur Fleisch von Bio-Bauernhöfen und dem „Schlachter des Vertrauens“ gibt?

Und was spricht eigentlich dagegen, daß wir Menschen uns darauf besinnen, daß Tiere unsere Mitgeschöpfe sind, voller Leben und sicher auch fühlend wie wir – und wir sie gar nicht töten und verzehren? Weitgehend unbekannt ist, daß in der Schöpfungsgeschichte zu Beginn der Bibel für uns Menschen ausschließlich Pflanzennahrung vorgesehen ist: Und Gott sprach: Seht da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen auf der ganzen Erde, und Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu Eurer Speise. (1. Mose 1,29) Von Tieren als Nahrung ist dort nicht Rede. Aufbewahrt ist hier die alte Menschheitserinnerung, daß die Pflanzennahrung die eigentlich schöpfungsgemäße für uns Menschen ist. Martin Luther, der nun selbst auch wahrlich kein Kostverächter war, auch kein Vegetarier, hat zu dieser Bibelstelle gesagt: „Wir sehen hier, was Er uns für Speise schafft, nämlich Kräuter und Gewächse der Bäume. Darum glaube ich, daß unsere Leiber viel gesünder und stärker gewesen wären, wenn besonders das Essen von Fleisch nach der Sintflut nicht aufgekommen wäre. Denn obwohl die Erde nach dem Fall Adams verflucht und hernach durch die Sintflut sehr verderbt ist, so wäre doch die Nahrung und Speise von Kräutern viel reiner und feiner, als von Fleisch.“ Zumindest nachdenklich machen sollte uns das schon, ob nicht pflanzliche Nahrung allein nicht nur reichte, sondern auch besser für uns sei. Für den Leib sowieso, aber auch für Seele und Geist.

Pastorin Dr. Wiebke Bähnk