Heute komme ich erst am frühen Nachmittag dazu, ein paar „Gedanken zum Tag“ zu schreiben. Seit dem frühen Morgen habe ich telefoniert. Zuerst mit unserem Enkelkind. Sie wird heute zwei Jahre alt. Und statt sie zu ihrem Geburtstag in den Arm zu nehmen und mit ihr zu spielen, können wir sie nur anrufen. Immerhin per Videotelefonie. Wir konnten sehen, wie sie sich von allen Geschenken am meisten über die Bonbons freut, sie konnte ihren Großeltern dabei zuschauen, wie sie ihr „Viel Glück und viel Segen“ vorsingen und ihr zuwinken. Alle anderen Telefonate waren „klassische“, in denen wir einander „nur“ hören können. Familienmitglieder haben mich angerufen, eine Freundin, eine Kollegin. Ich habe Gemeindemitglieder angerufen, von denen ich ahne, daß sie eventuell Hilfe benötigen oder einfach ein offenes Ohr. In diesen Tagen, in denen die Unsicherheiten und Ängste immer größer werden, das Gefühl, daß da etwas auf uns zukommt, was wir weder einschätzen noch gänzlich verhindern können, immer stärker.

„Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.“ Diese Worte des Ordensgründers Benedikt von Nursia singen wir häufiger in der Gemeinde. Jetzt geht mir dieser Gesang nicht aus dem Sinn. Wo das Zuhören und Hinhören, die offenen Ohren und Herzen, wichtiger sind als je zuvor. Nicht nur, aber vor allem bei den Menschen, den älteren zumal, die sich jetzt einsam und isoliert fühlen, mit ihren Ängsten allein gelassen. Und wenn sie denn schon keinen Besuch mehr bekommen dürfen, wenigstens am Telefon ihre Seele erleichtern können. Familienmitglieder, Freunde, Nachbarn, Kollegen, Geschwister aus der Gemeinde anzurufen, nachzufragen und zuzuhören, ein offenes Ohr zu haben, ist ein großes Geschenk, das wir einander machen können. Vielleicht mögen Sie ja auch anbieten, gemeinsam am Telefon zu beten – und Gott zu bitten, daß er uns hört in der Not dieser Tage. Und wer dafür keine eigenen Worte hat, kann sich die „ausleihen“, mit denen schon vor dreitausend Jahren Menschen Gott um seine offenen Ohren gebeten haben: Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens. (Psalm 130,2) Und, wer weiß, mündet das gemeinsame Gebet auch in einen Trost, wie er sich auch in diesen uralten Worten findet: Ich harre des Herrn, meine Seele harret, und ich hoffe auf sein Wort. Denn bei dem Herrn ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm. (Psalm 130,5.7)

Pastorin Dr. Wiebke Bähnk