Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen. Eben habe ich meinem Vater dieses Geburtstagslied vorgespielt. Am Telefon. Denn besuchen kann ich ihn ja nicht. Mein Vater feiert heute seinen 92. Geburtstag und alles ist so anders als in den vergangenen Jahren. Wir können nicht zusammen sein, uns nicht ansehen, gemeinsam lachen und vom Geburtstagskuchen naschen. Für ihn ist das schwer. Wie für unzählige Menschen, die jetzt in weitgehender Isolation leben müssen. In den Seniorenheimen, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder in ihren Wohnungen.

Auch mich als Tochter, als Angehörige bedrückt diese Situation sehr. Als tröstlich empfinde ich, mit wie viel Phantasie und Hilfsbereitschaft Menschen in diesen Tagen und Wochen Zeichen der Nähe und Verbundenheit weitergeben: regelmäßige Anrufe, Einkäufe, die wie selbstverständlich mit erledigt und vor die Tür gestellt werden, ein Blumengruß aus dem Garten, eine Karte mit freundlichen Worten, Musik, live und über verschiedene Medien weitergegeben und geteilt. Der Hausmeister des Seniorenheimes, in dem mein Vater lebt, hat ihm heute sein Lieblingsgetränk Radler besorgt, eine Pflegekraft hat ihm eine Videobotschaft von uns auf ihrem Handy vorgespielt und die Geburtstagskarte vorgelesen – er kann kaum noch sehen. Als ich das Telefon auflegte, hörte ich noch die freundlichen Glückwünsche einer Mitbewohnerin für ihn. Viel Glück und viel Segen.

Dass wir zwar räumlich getrennt sein müssen wie wir es noch nie erlebt haben, menschlich, sozial aber zusammen rücken, ist ein Eindruck, der in diesen Tagen oft geäußert wird. Daß wir unsere menschliche Verbundenheit auf eine neue und ungekannte Weise wahrnehmen, die Verantwortlichkeit, die wir füreinander haben. Daß wir das leben, was uns von Jesus Christus als höchstes Gebot unseres menschlichen Miteinanders gegeben ist: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. ( Mk 12,28) Diese Erfahrung tröstet und stärkt. Auch weil wir darauf vertrauen dürfen, daß die Nächstenliebe, wie alle Liebe, aus Gottes Kraft kommt, durch die Er in uns und durch uns wirkt. Und wir deshalb auch keine Angst zu haben brauchen, daß sie uns ausgehen könne, die Liebe.

Pastorin Dr. Wiebke Bähnk