„Ich singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust; ich sing und mach auf Erden kund, was mir von dir bewusst.“ Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheimes St. Josef singen die vertrauten Liedzeilen von Paul Gerhardt. Daß wir alle verschiedene Tonarten singen, stört niemanden wirklich, auch nicht Klaus Schneider, der uns auf dem Keyboard begleitet. Hauptsache, wir dürfen singen. Nicht nur mit dem Herzen, sondern eben auch mit dem Mund. Auch deshalb feiern wir unseren Gottesdienst draußen, wo in der frischen Luft die Aerosole gleich im Winde verwehen. So daß nach jetzigem Stand der Erkenntnis die Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19 mehr als gering ist. Auch in St. Laurentii haben wir schon mehrere Male Open-Air Gottesdienst im Klostergarten gefeiert und uns dort zum Seniorenkreis getroffen. Weil der Garten groß ist, können wir Abstand halten und doch mit vielen zusammen sein. Und eben auch singen. Die Freude darüber war jedes Mal in den Gesichtern zu lesen. Manche sagten, sie seien vor allem deshalb gekommen, weil sie endlich wieder einmal mit anderen zusammen singen dürften, nicht nur allein und unter der Dusche.

Singen ist für zahllose Menschen Ausdruck von Lebensfreude und einzigartige Möglichkeit, das auszudrücken, was sich mit gesprochenen Worten nicht so eindrücklich fassen lässt. Eine Liebeserklärung ist wunderbar, ein Liebeslied noch wunderbarer. Auch für das Lob Gottes ist das Singen seit jeher eine unverzichtbare Weise des Ausdrucks gewesen. Die Psalmen, ursprünglich ja auch gesungen, sind voll der Aufforderungen zum Singen: Singet Gott, lobsinget seinem Namen. (Psalm 68,5) Aus der Fülle ihres Herzens, ihrer Erfahrungen mit Gott, bekennen die Beter: Ich will dem Herrn singen mein Leben lang. (Psalm 104,33) Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Was uns etwas bedeutet und wert ist, spüren wir manches Mal erst wirklich, wenn es uns genommen wird. Vielen Menschen, mir auch, ist es mit dem gemeinschaftlichen Singen so gegangen. Besonders im Gottesdienst oder bei Trauerfeiern. Bei dem Abschied von einem Menschen, der zudem selbst mit größter Freude gesungen hat, nicht einmal in das Lied „Singt Gott, unserm Herrn“ frei mit einstimmen zu dürfen, tut in der Seele weh. Umso größer der Dank an alle, die dazu beitragen, daß wir Gottesdienste unter freiem Himmel feiern können und uns draußen auf dem Keyboard oder mit der Gitarre begleiten, die uns alle zum Singen bringen. Ob wir es nun gut können oder nicht. Auf daß es endlich wieder heißen kann: Singet dem Herrn, alle Lande. (1. Chronik 16,23)

Pastorin Dr. Wiebke Bähnk