Sehr unterschiedliche Gedanken sind es, die mich heute morgen beim ZDF-Fernsehgottesdienst bewegt haben. Zum einen aus tiefsten Herzen ein „Wie gut, daß es Fernsehgottesdienste gibt.“ Von älteren Gemeindegliedern, die nicht mehr gut laufen können und nicht immer jemanden haben, der sie zum Gottesdienst bei uns abholt, höre ich auch sonst öfter, wie sehr sie diese Gottesdienste trösten. Und in diesen Tagen, in denen erstmals seit Menschengedenken bei uns landauf landab keine öffentlichen Gottesdienste gefeiert werden dürfen, stellen sie die beste Möglichkeit dar, doch an einem Gottesdienst teilhaben zu können, ohne an einem Ort versammelt zu sein. Fast eine Million Menschen sehen diesen Gottesdienst im Moment. Hören auf die Lebensworte Gottes, singen mit, beten mit, machen die Gebetsanliegen anderer Menschen zu ihren eigenen. 675 Gebetsbitten sind während des Gottesdienstes beim ZDF eingegangen. Fast eine Million Menschen feiern „zusammen“, sprechen das Glaubensbekenntnis, beten das Vaterunser. Jeder, jede an ihrem Ort – und doch verbunden. Ich bin sicher, daß dieser Gedanke viele Menschen stärkt und tröstet – mich auch.

Aber es gibt neben diesem tröstenden Gedanken auch tiefe Traurigkeit in mir. Der Anblick der leeren Kirche beim Fernsehgottesdienst, der Chorsängerinnen, die meterweit voneinander entfernt stehen, ist ein Bild für die beispiellose räumliche und körperliche Trennung, die wir erleben. Die nötig ist. Ohne Frage. Und dennoch so sehr weh tut. Partner und Freunde, die einander nicht mehr im Seniorenheim besuchen können, nicht im Krankenhaus an der Seite ihrer kranken Angehörigen sein können, Väter, die nach der Geburt ihres Kindes nicht bei Mutter und Kind bleiben dürfen. Das sind schwere, ja sicher nicht selten untröstliche Situationen. Am kommenden Donnerstag wird mein Vater 92. Ich werde ihn nicht besuchen können, das Heim, in dem er lebt, bittet dringend darum, auch nicht vor der Tür ein Geburtstagsständchen zu bringen, wie ich es mir überlegt hatte. Andere Weisen der Kommunikation außer der durch direktes Miteinandersprechen und die körperliche Nähe erreichen ihn in der Demenz nicht mehr wirklich.Das macht mich traurig und lässt mich mitfühlen mit allen, denen das direkte Zusammensein mit anderen Menschen fehlt. Auch der Gottesdienst in unserer Kirche, die Gemeinsamkeit in einem Raum, das Singen zusammen- auch wenn unsere Gemeinde nicht so „schön“ singt wie der Chor beim Fernseh-Gottesdienst -, das vielstimmige Vaterunser live, die freundlichen Blicke, das Lächeln, Hände, die sich berühren. All das fehlt mir.

Wie gut, daß es Fernsehgottesdienste gibt. Oder auch, wie in einigen Gemeinden unserer Region, Gottesdienste per Live-Stream, wie gut, daß es Andachten über das Internet gibt – einige auf unserer Website zu hören und unter www.itzehoer-andachten.de sowie unter der Telefonnummer.. Aber trotzdem: Daß wir alle wieder lebendige Gemeinschaft miteinander und vor Ort erleben können, uns ansehen und berühren können, uns die guten Worte ins Gesicht sagen können und das Lächeln gleich hinterherschicken – das möge Gott uns schenken. Was wir dafür tun können, wollen wir tun, und was in Gottes Hand liegt, ihm überlassen. Wie es ein wirklicher „Meister des Trostes“ in schwerer Zeit, Paul Gerhardt, gedichtet hat: Befiehl dem Herrn deine Wege und was dein Herze kränkt, der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuss gehen kann.

Pastorin Dr. Wiebke Bähnk