„Wir machen das Beste daraus.“ Diesen Satz höre ich in diesen Tagen sehr oft. Und von den dazugehörigen Erfahrungen höre ich: Familienangehörige, die sonst durchaus mehr Distanz gehalten haben, rücken sich wieder näher. Die Jüngeren achten darauf, daß die Älteren nicht allzu oft hinausgehen und einkaufen, indem sie diese Aufgabe für sie übernehmen. Das „Beste daraus machen“ tun auch diejenigen, die jetzt neue Kommunikationswege für sich und die Familie entdecken, per Videotelefonie einander nahe sind oder wieder einmal einen Brief schreiben, handschriftlich vielleicht sogar. Die die Zeit nutzen für das, was ihnen Freude macht, für den Garten, die bisher ungelesene Biographie, die Bildbearbeitung am PC oder das Nähen, z.B. der vielfältigen kreativen Mundschutzmasken. Oder die einfach in dieser Zeit erkennen, was wirklich wichtig ist: Die Familie, die Freunde, das Verständnis füreinander, die gemeinsame Freude, Lachen und Humor, das gemeinsame Aushalten von Traurigkeit, daß man sich aufeinander verlassen kann. Die Freundschaft, das Vertrauen, die Liebe.

Im Römerbrief des Paulus heißt es: Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen. (Röm 8,28) Vielleicht ist das mit diesen und auch anderen Erfahrungen so, die aus einer schweren und bedrängenden Situation erwachsen, daß sie uns jetzt oder später zum Besten dienen? Bei nicht wenigen Erfahrungen, auch meinen eigenen, traue ich mich, das so zu sagen, zu denken, zu glauben. Auch weil ich erlebt habe, daß es gerade auch die sehr schweren Erfahrungen in meinem Leben waren, die mich verändert und verwandelt haben, aus denen Gott für mich hat Gutes und Bestes erwachsen lassen.

Aber da gibt es auch die Erfahrungen, die einfach nur traurig machen, die Vollmundigkeit dieses Glaubenssatzes zumindest im Moment des Erlebens in Frage stellen. Eine sterbende Frau wird im Klinikum vor die Alternative gestellt, ob ihr Mann oder ihre Tochter zuletzt noch zu ihr kommen darf. Die Freundin einer älteren Frau stirbt in einem Seniorenheim. Weder durfte sie sie im Heim zuletzt besuchen noch darf sie zur Trauerfeier. Und sie sagt, ihre Freundin sei an „Einsamkeit“ gestorben. Mein Vater ist im Krankenhaus. Wenn er in das Seniorenheim, in dem er lebt, zurückkehrt, muss er 14 Tage in Quarantäne in seinem Zimmer. Schon jetzt kann er nicht mehr verstehen, warum er keinen Besuch bekommt. Ich mag mir nicht ausmalen, welche Folgen die Quarantäne für ihn haben wird.

Nicht wenige Menschen wissen im Moment weder, wie sie aus dieser Situation „das Beste machen“ können noch können sie sich vorstellen, daß sie ihnen zum „Besten dienen“ könnte, morgen oder eines Tages. Viele erleben Existenzangst, Isolation, Depression, Hilflosigkeit, einsame Abschiede. Und nicht alles wird sich zumindest für die, die es jetzt erleiden, „zum Besten auflösen“. Das ist schwer auszuhalten. Der Satz des Paulus, der mir selbst für mein Leben so wichtig ist – angesichts dieser Erfahrungen bleibt mir nur, ihn in aller Vorsicht immer mal wieder nachzusprechen und innerlich durchzubuchstabieren. Ob er zumindest auch jetzt eines bleibt: Ein Satz der Hoffnung.

Pastorin Dr. Wiebke Bähnk